Eisiger Ostwind, langer Spaziergang am Strand von St. Peter-Ording, danach rein in die warme Buchhandlung. Und da steht es, mit goldgelb-verlockenden Farben geschmückt: „Die Bienen“ von Laline Paull.
„Ihr Name ist Flora. Ihre Nummer 717. Sie ist ziemlich groß. Ihr Pelz ist struppig. Andere finden sie hässlich. Doch sie ist klug und mutig. Und sie muss sich gegen die Regeln des Bienenstocks behaupten …“
Alle meine Wahrnehmungssignale sagen: Nein, das kann nicht gut sein, lass die Finger davon! Ein Roman mit einer Biene als Hauptfigur – was für ein Quatsch! Aber diese Farbe, dieses verlockende Wabenmuster bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Ich rieche den Tee, sehe goldgelben Honig, spüre den gemütlichen Sessel und denke: Du hast doch ein freies Wochenende. Und dann stehe mit dem Buch an der Kasse – es ist geschehen.
Liebe Imker-Kolleg/innen: Lasst die Finger von diesem Buch. Es ist so spannend und mitreißend geschrieben, dass Ihr denken könntet: Was wir bisher wussten, müssen wir alles über den Haufen werfen.
Lest es nicht! Es könnte sonst sein, dass Ihr von der Schönheit des Tanzsaals ergriffen werdet. Es könnte sein, dass Ihr selber den Geschmack wunderbarsten Nektars auf der Zunge spürt. Es könnte sein, dass Ihr seht, wie der Obstgarten mit seinem Stock unter Euch verschwindet und Ihr Euch hochschraubt bis in die kühlen Windströmungen, in die die Rotten der Wespen Euch nicht mehr folgen. Es könnte sein, dass Ihr Euch erwischt dabei, wie Ihr die Bienen innerlich anfeuert im Kampf gegen die räubernde Maus. Und es könnte sein, dass Ihr gar das Schwarmgehirn zu Euch sprechen hört.
Nein, öffnet Eure Antennen nicht gegenüber diesem Buch. Es könnte sonst sein, dass Ihr versucht seid, diesen mitreißend geschriebenen Roman ernst zu nehmen. Ihr könntet in die Gefahr geraten, ihn nicht als wunderschöne, phantasiereiche Geschichte zu lesen, sondern als Sachbuch der Imkerei. Was natürlich Unsinn wäre, denn wann auch immer hätte eine Biene je ein Buch schreiben sollen?
Obwohl: Flora 717 wäre selbst das zuzutrauen …
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Laline Paull, Die Bienen, München 2016 (9,99 €)
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